Wie kann die Abwärmenutzung in der Industrie zur Effizienzsteigerung beitragen?

Olivia Matondo
23.6.2025

Energieverluste sind in der Industrie nach wie vor ein zentrales Thema. Ein Großteil der eingesetzten Energie wird als ungenutzte Wärme an die Umgebung abgegeben. Hier setzt die industrielle Abwärmenutzung an: Sie birgt ein enormes Potenzial, die Energieeffizienz zu steigern, Kosten zu senken und die CO₂-Emissionen deutlich zu reduzieren. 

Abwärmenutzung in der Industrie in Kürze

  • Großes Effizienzpotenzial: Die Abwärmenutzung in der Industrie ermöglicht es, ungenutzte Wärme aus Produktionsprozessen zurückzugewinnen und so Kosten, Energieverbrauch und CO₂-Emissionen deutlich zu senken.
  • Vielfältige technische Lösungen: Moderne Technologien wie Wärmetauscher, Wärmepumpen und ORC-Anlagen machen es möglich, Abwärme auf unterschiedlichen Temperaturniveaus effizient zu nutzen, von der Prozessintegration bis zur Einspeisung in Wärmenetze.
  • Gesetzliche Vorgaben und digitale Unterstützung: Neue gesetzliche Pflichten und attraktive Förderprogramme fördern die industrielle Abwärmenutzung. Energiemanagementsysteme wie ecoplanet helfen Unternehmen, Potenziale datenbasiert zu identifizieren und Maßnahmen optimal umzusetzen.

Was versteht man unter Abwärmenutzung in der Industrie?

Bevor Maßnahmen umgesetzt werden, lohnt ein genauer Blick auf die Grundlagen. Was bedeutet Abwärmenutzung in der Industrie eigentlich und warum ist sie so relevant?

Begriffserklärung und Bedeutung

Abwärmenutzung in der Industrie beschreibt die gezielte Rückgewinnung und Nutzung von Wärme, die in industriellen Prozessen als Nebenprodukt entsteht. Diese industrielle Abwärmenutzung kann sowohl innerhalb des eigenen Betriebs als auch extern erfolgen. Ziel ist es, diese „verlorene“ Energie wieder in den Produktionsprozess einzubringen oder anderweitig nutzbar zu machen. Die Nutzung von Abwärme ist ein zentraler Hebel, um Kosten zu senken und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Temperaturniveaus und deren Bedeutung

Nicht jede Abwärme ist gleich verwertbar. Entscheidend ist das Temperaturniveau: Hochtemperaturabwärme (über 500°C) fällt zum Beispiel in der Stahl- oder Zementindustrie an, während Niedertemperaturabwärme (unter 150°C) häufig in der Lebensmittel- oder Papierindustrie entsteht. Je höher das Temperaturniveau, desto vielseitiger und effizienter lässt sich die Abwärme nutzen. Ein höheres Temperaturniveau ermöglicht beispielsweise die direkte Nutzung als Prozesswärme oder sogar die Stromerzeugung mittels ORC Anlagen. Abwärme auf einem niedrigeren Temperaturniveau kann mit Wärmepumpen auf ein nutzbares Niveau gehoben werden.

Typische Quellen industrieller Abwärme

Zu den Hauptquellen zählen Hoch- und Schmelzöfen, Trocknungs- und Lüftungsanlagen, Motoren, Kompressoren sowie Abgas- und Abluftströme. Besonders in Prozessen mit hohen Temperaturen entstehen große Mengen an überschüssiger Wärme, die bislang oft über Abluft oder Abwasser einfach an die Umwelt abgegeben werden. Hier schlummert ein riesiges, häufig ungenutztes Effizienzpotenzial.

Welche Potenziale bietet die industrielle Abwärmenutzung?

Die industrielle Abwärmenutzung ist ein Schlüssel zur Energieeffizienz. Doch wie groß ist das Potenzial tatsächlich? Und welche Vorteile ergeben sich für Unternehmen, wenn sie Abwärme effizient nutzen?

Zahlen, Fakten und Branchenpotenziale

Studien zeigen, dass in Deutschland jährlich ein wirtschaftlich nutzbares Abwärmepotenzial von 130 bis 250 Petajoule (36 bis 69 TWh) besteht. Die größten Potenziale finden sich in energieintensiven Branchen wie der Papier-, Chemie-, Glas- und Stahlindustrie. Besonders die Prozesswärme, die in Form von Wasserdampf, Luft oder Rauchgas anfällt, spielt eine zentrale Rolle. In vielen Betrieben ist das Wissen über die eigenen Abwärmeströme jedoch noch gering, sodass das tatsächliche Potenzial oft unterschätzt wird.

Wirtschaftliche und ökologische Vorteile

Die Nutzung von Abwärme senkt Energiekosten, reduziert den Bedarf an Primärenergie und verringert CO₂-Emissionen. Unternehmen profitieren doppelt: Sie sparen nicht nur bares Geld, sondern stärken auch ihre Wettbewerbsfähigkeit und erfüllen zunehmend strengere Umweltauflagen. Die Amortisationszeiten für Investitionen in die Abwärmenutzung Industrie sind durch steigende Energiepreise und Förderprogramme oft überraschend kurz. Zudem verbessert sich das Unternehmensimage durch nachhaltiges Wirtschaften und die Einhaltung aktueller Umweltstandards.

Welche technologischen Lösungen gibt es für die Abwärmenutzung in der Industrie?

Um das Potenzial der Abwärmenutzung Industrie zu heben, stehen verschiedene technologische Ansätze zur Verfügung. Welche Lösungen sind am Markt etabliert und wie sehen erfolgreiche Praxisbeispiele aus?

Prozessinterne, betriebsinterne und externe Nutzung

Abwärme kann direkt im Prozess (z. B. Vorwärmen von Verbrennungsluft), innerhalb des Betriebs (z. B. Heizung von Gebäuden, Warmwasserbereitung) oder extern (z. B. Einspeisung in Nah- und Fernwärmenetze) genutzt werden. Je nach Standort und Infrastruktur kann eine Kombination dieser Ansätze sinnvoll sein, um Abwärme effizient zu verwerten.

Wärmetauscher, Wärmepumpen, ORC-Anlagen und Kaskadennutzung

Zu den wichtigsten Technologien zählen Wärmetauscher, die thermische Energie zwischen verschiedenen Medien übertragen, besonders effektiv bei hohen Temperaturen. Industrielle Wärmepumpen ermöglichen es, Abwärme auf einem niedrigeren Temperaturniveau auf ein höheres Temperaturniveau zu bringen und so auch moderate Wärmequellen nutzbar zu machen. ORC Anlagen (Organic Rankine Cycle) sind speziell für die Stromerzeugung aus Abwärme ab etwa 80°C geeignet und bieten sich besonders für Branchen mit kontinuierlichen Abwärmeströmen an.

Die sogenannte Kaskadennutzung nutzt Abwärme in mehreren Schritten, von der Hochtemperaturstufe bis zur Niedertemperaturstufe. So kann die Abwärmenutzung in der Industrie maximal effizient gestaltet werden, da selbst auf niedrigerem Temperaturniveau noch Energie für Heizzwecke, Warmwasserbereitung oder sogar Kühlung genutzt werden kann.

Praxisbeispiele aus verschiedenen Branchen

In der Zellstoffindustrie wird überschüssige Wärme zur Dampferzeugung genutzt, in Biogasanlagen wird Abwärme aus Blockheizkraftwerken nachverstromt. In der Glas- und Stahlindustrie kommen ORC Anlagen und großflächige Wärmetauscher zum Einsatz, um Strom zu erzeugen oder Prozesswärme bereitzustellen. Auch die Lebensmittelindustrie nutzt zunehmend Wärmepumpen, um Abwärme auf ein höheres Temperaturniveau zu heben und so effizient in anderen Prozessen einzusetzen. Jede Branche benötigt individuelle Lösungen, um das Maximum aus der industriellen Abwärmenutzung herauszuholen.

Welche Herausforderungen und Hemmnisse bestehen bei der Abwärmenutzung?

Trotz der Vorteile gibt es Hürden, die eine umfassende Abwärmenutzung in der Industrie bislang bremsen. Welche Herausforderungen sind besonders relevant?

Wirtschaftliche und technische Hürden

Die Wirtschaftlichkeit hängt oft von der Größe des Betriebs, der räumlichen Nähe zwischen Wärmequelle und -senke sowie den Investitionskosten ab. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen scheuen manchmal den initialen Aufwand für Analyse und Technik, obwohl die Nutzung von Abwärme langfristig große Einsparungen ermöglicht. Auch die Integration neuer Technologien in bestehende Prozesse kann herausfordernd sein, insbesondere bei älteren Anlagen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen.

Datenlage und Messproblematik

Ein zentrales Problem: In vielen Betrieben fehlt es an präzisen Daten über die Menge und das Temperaturniveau der entstehenden Abwärme. Oft wird nur die Temperatur am „kalten Ende“ gemessen, nicht aber an den Stellen, wo die Wärme technisch am sinnvollsten genutzt werden könnte. Dadurch bleibt hochwertige Abwärme auf einem höheren Temperaturniveau oft ungenutzt, während lediglich die abgekühlte Luft oder das Wasser erfasst werden.

Notwendigkeit individueller Analysen

Jede Industrieanlage ist einzigartig, sodass eine individuelle Analyse der Abwärmepotenziale und maßgeschneiderte Lösungen erforderlich ist. Hier unterstützen spezialisierte Energieberater und moderne Messtechnik, um die Nutzung von Abwärme optimal auszuschöpfen. Nur so kann Abwärme effizient genutzt und auf ein höheres Temperaturniveau gebracht werden, wenn dies für den jeweiligen Prozess sinnvoll ist.

Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten gibt es?

Mit neuen gesetzlichen Vorgaben und attraktiven Förderprogrammen wird die Abwärmenutzung Industrie zunehmend zur Pflicht und zur Chance. Was sollten Unternehmen wissen?

Aktuelle Vorgaben und gesetzliche Pflichten

Seit 2024 sind Unternehmen mit einem Energieverbrauch über 2,5 GWh jährlich verpflichtet, Abwärme nach Stand der Technik zu vermeiden oder zu nutzen (§16 EnEfG). Zudem müssen sie ihre Abwärmepotenziale an die Bundesstelle für Energieeffizienz melden. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen und den Austausch zwischen Wärmeproduzenten und -abnehmern zu fördern. Die Plattform für Abwärme dient dabei als zentrale Anlaufstelle für Informationen und Austausch.

Förderprogramme und Unterstützung

Es gibt zahlreiche Fördermöglichkeiten auf Bundes- und Landesebene, die Investitionen in die industrielle Abwärmenutzung unterstützen, von Zuschüssen für Machbarkeitsstudien bis hin zu Investitionsbeihilfen für konkrete Maßnahmen. So werden technische Innovationen und die Umsetzung neuer Konzepte beschleunigt. Im Rahmen des EEW-Programms können bis zu 40 Prozent der förderfähigen Investitionskosten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bewilligt werden, etwa für Wärmerückgewinnung, Wärmeübertrager oder die Optimierung bestehender Anlagen und Prozesse. Auch die Erstellung von Energieeinsparkonzepten und die Umsetzungsbegleitung durch externe Sachverständige werden bezuschusst.

Wie können Energiemanagementsysteme wie ecoplanet Abwärmepotenziale identifizieren und nutzbar machen?

Digitale Energiemanagementsysteme sind Schlüsselwerkzeuge, um die Abwärmenutzung in der Industrie effizient und nachhaltig zu gestalten. Wie funktioniert das in der Praxis?

Rolle von Energiemanagementsoftware

Moderne Systeme wie ecoplanet erfassen und analysieren kontinuierlich alle relevanten Energiedaten eines Betriebs, von Verbrauchswerten bis zu Temperaturprofilen. So werden versteckte Abwärmepotenziale sichtbar und können gezielt erschlossen werden. Durch die Analyse von Abwärmeströmen auf unterschiedlichen Temperaturniveaus lassen sich sowohl Potenziale auf höherem als auch auf niedrigerem Temperaturniveau identifizieren und gezielt nutzen.

Transparenz, Steuerung und Optimierung

Mit Hilfe von ecoplanet erhalten Unternehmen eine Echtzeit-Übersicht über ihre Energieflüsse und können Maßnahmen zur industriellen Abwärmenutzung datenbasiert planen, umsetzen und überwachen. Die Software unterstützt bei der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, der Dokumentation für Zertifizierungen und hilft, die richtigen Investitionsentscheidungen zu treffen.

Quellen